Das wilde Gjaid-Jagd

Dem nächtlichen Wanderer schreckt zuweilen das „wilde Gjaid“. Plötzlich erhebt sich an irgend einem Punkt ein Jammern und gespenstisches Wehklagen, zieht in der Luft dahin und verschwindet in der Ferne. Wem es auf der Strasse begegnet, der wird von ihm in der Mitte glatt abgeschnitten. Oft wurden Burschen, die am Freitage jauchzten in kleine Fetzen zerrissen. Wer aber zwischen den Geleisen der Strasse bleibt, oder auch, wer ein Hufeisen sammt den Nägeln mit sich trägt dem kann es nichts anhaben. - Die Holzkrieehte hacken jedesmal, so oft
sie einen Baum umgesägt haben, 3 Kreuze +++ in den Strunk; dort dürfen die armen Seelen ausruhen.

Floih, Waukerl, floih!
Fliehe, Kindlein, fliehe!

Ein Bauernbursche gieng einst wohlgelaunt bei Nacht über das Hoheneck, berüchtigt durch das wilde Gjaid, nach Hause. Er fürchtete nichts. Plötzlich erhebt sich vor ihm ein Stöhnen, Winseln und Jammern, dass es schaurig anzuhören war; es war das wilde Gjaid. Voran zog die Perhnmutter (Perthamutter, die Gattin Wodans des heidnisch-deutschen Götterkönigs), und hinter ihr winselte ein langer, langer Zug ungetaufter Kinder. Als diese vorübergezogen waren, kam noch ein vereinzelntes Kind winselnd daher. Es hatte ein zu langes Hemdchen an und trat sich fortwährend darauf, so dass es zurückbleiben musste. „Floih, Waukerl, floih, magst iehn nit g‘folg‘n“ rief ihm der übermütige Bursche zu. Darüber jubelte das Kind und sagte: „Vergelt‘s Gott, jetzt habe ich doch auch einen Namen, „Waukerl“, jetzt bin ich erlöst und darf nicht mehr mitgehen.

Quelle: Hinterstoder mit dem Stoderthale; Kleine Orientierungs-Darreichung von A. N. Gerhofer; Selbstverlag; Linz, Druck von S. Tagwerkers Witwe [um 1891]

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